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13. Dezember 2023

Polen nach der Wahl: Deutschlandfunk-Interview

Sarah Zerback: Im Wahlkampf, da hat die PiS stark auf anti-deutsche Rhetorik gesetzt und damit Stimmung gemacht. Das deutsch-polnische Verhältnis steckt in einer Krise. Und das, obwohl Polen und Deutschland Nachbarn sind, Handelspartner und militärische Verbündete. Der Ukraine -Krieg hat im Verhältnis nicht die gewünschte Zeitenwende gebracht. Wie sieht es jetzt aus mit dem politischen Neuanfang in Polen gerade? Hat der das Potenzial dazu? Darüber können wir jetzt sprechen mit Paul Ziemiak von der CDU. Er ist Vorsitzender der deutsch -polnischen Parlamentariergruppe im Deutschen Bundestag und selbst in Stettin in Tieschien geboren. Schönen guten Morgen, Herr Ziemiak.


Paul Ziemiak: Guten Morgen, Frau Zerback.


Im politischen Berlin, gibt es da jetzt gerade sowas wie ein kollektives Aufatmen?


Ja, das kann man so sagen. Es gibt jetzt sehr viel Hoffnung auf neue und vor allem bessere deutsch-polnische Beziehungen. Wir haben ja sehr intensiv diesen Wahlkampf verfolgt in Polen. Ich glaube, alle Parteien in Deutschland haben das getan. Alle waren gespannt auf das Ergebnis. Und als dieses dann feststand, hat man auf eine neue Regierung ja im wahrsten Sinne des Wortes gehofft.


Für Donald Tusk politischen Rivalen, also die PiS, ist klar, was der ist: ein deutscher Agent, immer wieder wurde er auch als handlanger Berlins, Brüssels beschimpft. Das Schlimmste, was Polen passieren kann, das sind alles jüngste Zitate. Was ist Donald Tusk denn für Sie?


Ein überzeugter Europäer und ein starker Anwalt für die polnischen Interessen. Der wurde ja geradezu deformiert im polnischen Wahlkampf, dass er von Deutschland gesteuert sei. Es gab einen Videoclip von der PIS, wo Herr Kaczynski ans Telefon geht und man sieht, dass die deutsche Botschaft anruft und Anweisungen übergeben will und Kaczynski sagt ganz selbstbewusst: „deutsche Anweisungen werden nicht mehr entgegen genommen, hier ist nicht mehr Herr Tusk“. Insofern haben wir gesehen, wie polarisiert es war. Er wurde jetzt auch noch mal seiner Wahl im Sejm von Herrn Kaczynski als deutscher Agent bezeichnet. Herr Kaczynski hat gesagt: „ich weiß nicht, wer ihr Großvater war, aber ich weiß, sie sind ein deutscher Agent“. Also das zeigt, wie personifiziert und wie emotional hochaufgeladen die Situation in Polen weiterhin ist.


Und sicherlich diese anti-deutsche Stimmung, die wird ja ihre Spuren hinterlassen haben. Was ist da denn jetzt aus Ihrer Sicht nötig, um das zu kitten, auch von deutscher Seite?


Es gibt zwei Dinge. Das eine ist die die Gesellschaft in Polen. Man darf nicht vergessen, wenn Parteien immer wieder etwas wiederholen, mag es vielleicht so absurd klingen, also beispielsweise die Formulierung, Herr Tusk sei ein deutscher Agent. Es gibt Menschen, die das irgendwann anfangen zu glauben. Insofern muss man jetzt einfach wieder am Zusammenhalt der Gesellschaft in Polen arbeiten. Und wenn es um die deutsch-polnischen Beziehungen geht, dann müssen wir die Initiative ergreifen, also wir Deutschen. Ich finde, die Bundesregierung, Bundeskanzler Scholz, sollte jetzt die Initiative ergreifen, um zu deutsch-polnischen Regierungskonsultationen einzuladen. Denn das wird sich nicht automatisch verbessern. Denn eins ist klar, Herr Tusk schwebt jetzt erstmal gute Verhältnisse mit der Europäischen Union auf der Tagesordnung, aber er weist dann nach seiner Weise nach Brüssel nicht etwa nach Berlin, sondern in die baltischen Staaten. Und Deutschland ist in seiner Regierungserklärung bisher gar nicht vorgekommen. Das heißt, es gibt noch keine Priorität auf Deutschland, aber das ist für uns wichtig. Deswegen sollte Olaf Scholz die Initiative einreichen.


Die sind seit 2018 ja ausgesetzt, finden also nicht mehr jährlich statt wie eigentlich vorgesehen. Jetzt ist ja Donald Tusk gleichzeitig, also natürlich ehemaliger Ratspräsident, Sie haben ihn einen überzeugten Europäer genannt, aber ist ja auch jemand, der in der Vergangenheit auch zum Beispiel vor einem so wörtlich überzogenen Euro-Enthusiasmus gewarnt hat oder auch beim Thema Migration. Da liegt er ja nicht auf der Linie mit den Brüsseler Vorstellungen. Müssen wir aufpassen, dass wir da nicht Gefahr laufen, ihn jetzt zu so einer Art Lichtgestalt zu machen?


Naja, zumindest sollten die Hoffnung nicht darin gehen, dass man sagt, nur weil jemand proeuropäisch ist, will er gleichzeitig das Gleiche, was wir in Deutschland oder vielleicht die Regierung in Deutschland gut findet. Es ist tatsächlich so, dass auch die Opposition zu PiS im Wahlkampf nicht gesagt hat, wir wollen eine Migrationspolitik, so wie sie in Deutschland betrieben wird. Und deshalb, ja, er ist ein überzeugter Europäer. Aber es wird auch Konstanten geben, beispielsweise in der Unterstützung für die Ukraine, in dem transatlantischen Verhältnis. Das hat er auch nochmal deutlich gemacht, Herr Tusk, dass er ein ganz enges Bündnis mit den USA will. Und beispielsweise bei der Frage der Migration und der Frage, dass man auf Technologie offen ist für die Nutzung von verschiedenen Energieträgern, das wird sich fortsetzen.


Gleichzeitig hat er wörtlich gesagt, dass er Polen zum Anführer innerhalb der EU machen will. Das ist ja eigentlich ein Führungsanspruch, den die Bundesregierung auch formuliert hat. Wäre das jetzt schon ein Schritt zu weit?


Ich habe nicht den Eindruck, dass dieses Bekenntnis in Deutschland von der Ampel irgendwie mit Leben gefüllt worden sei. Aber natürlich, Polen ist ein großes Land in der Europäischen Union. Es liegt strategisch auch sehr, sehr wichtig in einer sehr sensiblen Stelle, geopolitisch zurzeit, an der Grenze zur Ukraine. Und deswegen ist das ein Anspruch, den ich absolut nachvollziehen kann. Was wir jetzt brauchen, ist eine vor allem starke Achse zwischen Paris, Berlin und Warschau. Jetzt ist die Zeit für einen Neustart beim Weimar Dreieck.


Gleichzeitig braucht Donald Tusk auch im eigenen Land ja einen starken Rückhalt. Er hat angekündigt, ab morgen, also quasi ab jetzt sofort, alles zu korrigieren. Und gleichzeitig sehen wir ja, wie massiv er unter Druck steht. Die wochenlange Machtübergabe, die zeigt auch, wie die PiS-Kräfte sich dagegenstemmen. Wie viel Handlungsspielraum hat er da überhaupt, um diese in Teilen autoritären Strukturen wieder zurückzubauen?


Das wird jetzt auch noch einmal sehr, sehr schwierig werden, weil die PiS wird jetzt wieder sich vorbereiten auf den Wahlkampf, auf die Kommunalwahlen in Polen und vor allem auf die Wahl zum Europäischen Parlament. Insofern wird die Polarisierung erst mal weitergehen. Aber er muss jetzt diese Schritte gehen, bei der Frage der Rechtsstaatlichkeit und auch bei der Frage freier Medien. Das hat er auch noch mal gesagt. Insofern ist es keine leichte Aufgabe, aber er wird sie angehen. Aber es wird nicht der letzte Tag sein, wo wir von harten innenpolitischen Diskussionen aus Polen hören werden.


Herr Ziemiak, jetzt haben wir mit Ihnen nicht nur den deutsch-polnischen Parlamentarier hier in der Leitung, sondern auch einen versierten und erfahrenen CDU-Spitzenpolitiker. Wie bewerten Sie denn diese Einigung im Haushaltsstreit? Da hat die Ampel ja monatelang drum gerungen, ihre Partei viel Kritik geübt. Sind Sie da jetzt erleichtert, sehr erleichtert? Wie geht es Ihnen heute Morgen damit?


Wir haben in den letzten Tagen gemerkt, dass das Außenbild, auch das Deutschland in der Europäischen Union vor dem europäischen Gipfel abgibt, ja desaströs ist. Deutschland hat wenige Tage vor Ende der Sitzungszeit des Bundestages immer noch keinen Plan, wie es weitergehen soll. Die Ampel ist zerstritten. Jetzt sind wir mal gespannt auf die Ergebnisse im Konkreten. Aber das, was wir erleben, ist tatsächlich eine handfeste Regierungskrise, wenn es um die Frage geht, wie wir finanziell aufgestellt sind. Und viele schütteln auch einfach nur den Kopf über diese Ampelpolitik, auch im europäischen Ausland.


Gut, aber das war ja vielleicht Stand von gestern und nicht von heute Morgen, wo jetzt diese Einigung verkündet werden konnte.


Ja, aber man hätte doch lange, auch direkt nach dem Urteil übrigens des Bundesverfassungsgerichts, einen Plan B haben müssen. Man hätte doch damit rechnen müssen, dass es auch diese Möglichkeit gibt, dass das Verfassungsgericht so urteilt, wie es geurteilt hat. Aber offensichtlich war die Regierung völlig überfordert und völlig überrascht und jetzt hat es sehr, sehr lange gedauert und insofern werden wir sehen, was jetzt konkret da heute nackt bei rumgekommen ist.


Sagt Paul Ziemiak, CDU-Politiker und Vorsitzender der deutsch -polnischen Parlamentariergruppe im Deutschen Bundestag. Besten Dank für das Gespräch, Herr Ziemiak.


Das vollständige Interview zum Nachhören finden Sie unter diesem Link.
Herzlichen Dank für Ihr Interesse!

 


Ihr Paul Ziemiak

 

Foto: Steven Vangermain
Foto im Header: Tobias Koch

 

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